Der Rapperswiler Kinounternehmer Willy Leuzinger (1878–1935) drehte zwischen 1920 und 1929 in der Zentral- und Ostschweiz Aktualitätenfilme von öffentlichen Anlässen und Ereignissen (Jahrmärkte, Volksfeste, Sportwettkämpfe, Umzüge, Landsgemeinden, Beerdigungen u.ä.) und zeigte sie als Beiprogramme zu Kinospielfilmen im selben Einzugsgebiet und Zeitraum in seinen festen Sälen und zwei grossen ambulanten Zeltkinos.
Von ursprünglich schätzungsweise 100 Titeln sind rund 75 ganz oder fragmentarisch erhalten. Es handelt sich um stumme Kurzfilme (5-25 Min.) im Kinoformat 35 mm mit einer Gesamtlänge von etwa 16’500m; von den originalen Nitratpositiven sind viele monochrom eingefärbt (viragiert).
Die Filme bilden einen homogenen Bestand (ein Produzent, eine Region, ein Verwertungszusammenhang); es handelt sich um Dokumente und Primärquellen mit grossem Potential für die Medien- und Filmgeschichte der Schweiz sowie weitere Forschungsbereiche (Soziologie, Volkskunde, Regionalgeschichte). Durch das Projekt kann dieser wichtige Bestand, heute im Privatbesitz der Nachkommen von Willy Leuzinger, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Ziele des Projekts waren die Sicherung, Restaurierung, Katalogisierung, Veröffentlichung und wissenschaftliche Bearbeitung der Filme von Willy Leuzinger.
Projektleiterin: Dr. Mariann Sträuli, Filmhistorikerin
Die wissenschaftliche Bearbeitung der Filme und ihres Kontextes erfolgte 2000–2003 im Rahmen eines vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung getragenen Projekts:
Forschungsprojekt «Schweizer National-Cinema Leuzinger, Rapperswil: Aktualitätenfilmproduktion und Kinogeschichte der Zentral- und Ostschweiz, 1896-1945».
I. Erfassen der Unternehmensgeschichte des Cinema Leuzinger in Rapperswil seit 1906, (mehrere feste Säle in der Deutschschweiz, ambulante Kinos in der Region zwischen Bern und Bodensee bis 1943). Vergnügungskultur, Medien- und Kinogeschichte in dieser Region. Erweiterung der Filmhistoriographie durch eine nichturbane Filmgeschichte (Produktion und Rezeption), die den spezifischen Schweizer Verhältnissen entspricht.
II. Umfassender Werkkatalog; Vorführgeschichte der einzelnen Titel im Programmkontext. Historische, ästhetische und theoretische Überlegungen zur Gattung des nichtfiktionalen Films.
III. Alte Filme in der Gegenwart. Archivarische Praxis, Diskurs der Historiographie und andere Formen des kulturellen Gedächtnisse, neue Funktionen und Konsumformen.
(LEWINSKY) STRÄULI, Mariann und SCHERRER Adrian. «Die weisse Leinwand, wo alles lebendig ist». Zur Wädenswiler Kinogeschichte. in: Jahrbuch der Stadt Wädenswil 2003, S. 53 – 69.
LEWINSKY, Mariann. Der Turnverein als Medium. Ein Album mit Filmbildern der Produktion W. Leuzinger. in: CINEMA 48 / 2003, S. 23-45.
LEWINSKY, Mariann. Un trésor régional: les films Leuzinger. in: Cinéma suisse muet. Lumières et ombres. Sous la direction de Rémy Pithon. Éditions Antipodes & Cinémathèque suisse 2002, p. 145-159.
LEWINSKY, Mariann. Medien und ihre Darbietung. Zur Programmgestaltung mit frühem Filmmaterial. in: Hediger, Sahli, Schneider und Tröhler (Hg.), Home Stories. Neue Studien zu Film und Kino in der Schweiz, Marburg 2001, S. 26-43.
ROELLIN, Peter. Kino Leuzinger. Kunst und Architektur in der Schweiz, 1996, S. 331.
HAPPE, Biber und BERTOSSA, Sandro. Arriva il Leuzinger. Fernsehdokumentarfilm, TSI, 1996.
Vorführungen:
Weitere Informationen zum Bestand Leuzinger:
https://memobase.ch/sites/default/files/2021-04/FilmarchivLeuzinger.pdf (Website als PDF / bis Ende 2015: www.filmarchiv-leuzinger.ch)
Historisches Lexikon der Schweiz HLS, 3.2.2021: Stummfilme zum Sprechen gebracht. Willy Leuzingers Aktualitätenfilme der 1920er Jahre als Quelle der Schweizer Vergnügungskultur und Kinogeschichte.
Metadaten und Konsultationskopien: Memobase (85 Dokumente)
Konsultationselemente: Liste mit Bandnummer, Titel und Aufnahmedatum
Aktualitätenfilme von Willy Leuzinger 1920-1929: Werkverzeichnis nach Kantonen (A-Z)
Weitere Informationen zum Bestand:
https://memobase.ch/sites/default/files/2021-04/FilmarchivLeuzinger.pdf (Website als PDF / bis Ende 2015: www.filmarchiv-leuzinger.ch)
Das Originalmaterial, die neuen Negative und die neuen Positive (35mm, stumm) sind in der Cinémathèque suisse in Lausanne deponiert, ebenso Kopien auf Beta SP. Die neuen Vorführkopien können zu den üblichen Bedingungen konsultiert oder ausgeliehen werden.
Konsultationskopien auf VHS stehen in der Kantonsbibliothek St. Gallen und im Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich zur Verfügung.