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POLITISCHE INFORMATION

Ein langjähriges Programm zur Erhaltung des audiovisuellen politischen Gedächtnisses der Schweiz

Gleichzeitig mit der Gründung von Memoriav Mitte der 1990er Jahre initiierten mehrere Institutionen unter Führung des Schweizerischen Bundesarchivs (BAR) das Programm Politische Information. Dessen Ziel war es, die wichtigsten Quellen des audiovisuellen politischen Gedächtnisses der Schweiz zu erhalten und im BAR der Wissenschaft und der interessierten Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Dahinter stand die Überzeugung, dass Quellen wie die Schweizer Filmwochenschau oder die Fernseh-Tagesschau gerade in einer direkten Demokratie wichtige Zeugen der politischen Debatte seien, die für das historische Verständnis der Zeit genauso ausgewertet werden müssen wie schriftliche Quellen.

Dank Sondermitteln der Eidgenossenschaft für das Jubiläum «150 Jahre Schweizerischer Bundesstaat» konnte das Programm Politische Information in Angriff genommen werden. In mehreren Phasen wurden verschiedenste Teilprojekte mit Partnern aus allen Landesteilen bearbeitet.

Zu Beginn nutzten die Cinémathèque suisse und das Bundesarchiv einen Teil der Mittel, um vom Zerfall bedrohte 35-mm-Nitratfilme der Schweizer Filmwochenschau auf Polyestermaterial zu kopieren und gleichzeitig die gesamte deutschsprachige Version der Filmwochenschau abzutasten und auf professionelle Video-Kassetten (DigiBeta) zu überspielen. Dieses einzige Teilprojekt ausserhalb des Rundfunkbereichs wurde durch Oral-History Interviews mit Zeitzeugen ergänzt.

Ciné Journal Suisse / Schweizer Filmwochenschau / Cine Giornale Svizzero. Michel Dind beim Visionieren. Foto: Cinémathèque Suisse, Lausanne
Ciné Journal Suisse / Schweizer Filmwochenschau / Cine Giornale Svizzero. Michel Dind beim Visionieren. Foto: Cinémathèque Suisse, Lausanne
1998_Tages-Show

Tagesschau, 27.10.1998. Eröffnung audiovisueller Lesesaal im Bundesarchiv.

Neben der Filmwochenschau stand in der ersten Phase die Tagesschau des Schweizer Fernsehens im Fokus. Aus konservatorischen Gründen begann die Rettung dieses wichtigsten politischen Sendegefässes nicht mit den ältesten noch vorhandenen Beiträgen, sondern mit den fragilen und z.T. schon defekten U-Matic Videoträgern, die in den 1980er Jahren den 16-mm-Film sukzessiv als Aufnahmeformat ersetzten. In diesem Teilprojekt testeten das BAR und das Deutschschweizer Fernsehen DRS die Zusammenarbeit, auf der alle Folgeprojekte von Politische Information aufbauten: Die Übertragung auf neue Videoträger (in diesem Fall auf Beta-SP) und die Katalogisierung übernahm SF DRS, das BAR erhielt eine Videokopie ins Archiv und die Katalogdaten für das eigene Archivinformationssystem. Die Kosten wurden geteilt. Bis das Online-Findmittel des BAR zur Verfügung stand, ermöglichte die Memobase von Memoriav die Bestellung der Dokumente des Projekts im BAR.

Nach erfolgreichem Abschluss des ersten Tagesschau-Teilprojekts starteten die Projektpartner mit der Verarbeitung des 16-mm-Filmbestands der Tagesschau, die von 1953 bis 1981 gleichzeitig in drei Sprachen zentral in Zürich produziert worden war. Aus diesem Grund lagerten alle Unterlagen – neben den Filmen auch die dreisprachigen Sprechmanuskripte – bei SF DRS. Da das Fernsehen erst mit der Einführung eines neuen Videosystems ab 1990 die ganzen Tagesschau-Sendungen aufnahm, existieren davor lediglich die gesendeten Beiträge ohne die Tonspur des live gesprochenen Kommentars. Das Projekt transferierte deshalb nicht nur die z.T. schon zerfallenden Filme (Essigsyndrom) und O-Töne auf DigiBeta-Kassetten, sondern scannte auch alle Manuskripte ein und machte beides im Bundesarchiv zugänglich. Ein weiteres Oral-History-Projekt mit Zeitzeugen, welche sich zur Geschichte der Tagesschau äusserten, ergänzt dieses Teilprojekt.

Parallel zur Filmüberspielung mit SF DRS wurde das Téléjournal 1981–1990 der TSR überspielt und katalogisiert. Nach der Regionalisierung der Tagesschau produzierte das Fernsehen der Romandie das eigene Téléjournal. Die dafür verwendete U-Matic-Videos mussten wegen ihrer fragilen Technologie so schnell wie möglich auf andere Träger transferiert und katalogisiert werden.

Der Abschluss der ersten Phase des Projektes Politische Information wurde am 27. Oktober 1998 mit einer Tages-Show im neuen audiovisuellen Lesesaal des BARs gefeiert.

Für die Fortsetzung von Politische Information einigten sich die Projektpartner darauf, zusätzlich zu weiteren Fernsehsendungen aus allen Landesteilen auch politische Radiosendungen zu überspielen, zu katalogisieren und im BAR oder in der Landesphonothek (heute Nationalphonothek) zur Verfügung zu stellen.

Von den Radiosendungen wurde zuerst das seit 1945 gesendete und auf Direktschnittplatten und Magnetbänder gespeicherte Echo der Zeit (1945–1984), sowie Sendejournale (1939–1983), die den ganzen Ablauf des Radiotags detailliert beschreiben, digitalisiert und im BAR auf DAT bzw. auf Papier zugänglich gemacht. Ebenfalls unter dem Titel Politische Information nahm die Landesphonothek die Töne und Beschreibungen der ersten kontradiktorischen Diskussionssendung Am runden Tisch (1947–1965) und den rätoromanischen wöchentlichen Aktualitätsspiegel Viagiond cul microfon (1966–1972) in ihre Datenbank auf.

Während der Radioteil von Politische Information bereits 2002 abgeschlossen wurde, dauerten die Teilprojekte im Fernsehbereich noch bis 2010 an.

SF DRS überspielte und katalogisierte mehrere politische Magazinsendungen und lieferte jeweils eine Videokopie in den vom Fernsehen verwendeten Formaten DigiBeta und später MPEG IMX ans BAR. Wie in früheren Projektphasen überspielte SF DRS zuerst die besonders gefährdeten U-Matic-Kassetten des Regionalmagazins DRS aktuell (1981–1989). Anschliessend waren die folgenden Sendegefässe auf 16-mm-Film an der Reihe: Blickpunkt (1977–1981), Freitagsmagazin (1960–1963), Zytglogge (1961–1962), Für Sie reportiert (1962), Antenne (1962–1974) und Bericht vor acht / Blickpunkt Region (1975–1977).
Bevor das Projekt Politische Information mit dem Auslandmagazin Rundschau (1968–1988) und dem CH-Magazin (1975–1984) abgeschlossen wurde, widmete sich SF DRS den beiden kleinen Gefässen Panorama der Woche, das zwischen 1970 und 1979 jeweils einen Wochenrückblick der Tagesschau zeigte, und der beiden Sendungen für die ländliche Bevölkerung Landwirtschaftlichen Rundschau (1959–1970) und Landwirtschaft heute (1971–1973). Von 1999 bis 2007 lieferte SF DRS ausserdem eine Videokopie der aktuellen Tagesschau mit den Erschliessungsdaten ans BAR.

SR DRS, Reportage Apollo 11, Juli 1969. Hans Rudolf Steiner, Chef Technischer Unterhalt Studio Basel; Maja Schaub, Tonoperatice Studio Basel. Foto: SR DRS
SR DRS, Reportage Apollo 11, Juli 1969. Hans Rudolf Steiner, Chef Technischer Unterhalt Studio Basel; Maja Schaub, Tonoperatice Studio Basel. Foto: SR DRS
Filmstill: RTS
Filmstill: RTS

Das französischsprachige Fernsehen TSR begann den neuen Projektteil mit der Überspielung des Regionalmagazins Journal Romand (1981–1986), das z.T. auf U-Matic und z.T. auf 16-mm-Film aufgenommen wurde. Danach folgten die monatliche Reportagesendung Continents sans visa (1959–1969). Schliesslich widmete sich TSR den verschiedenen Vorläufermagazinen des Journal romand: Carrefour und das dazugehörige Soir-Information (1961–1973), Un jour, une heure (1971–1981) und Bonsoir (1969–1970). Im Unterschied zu allen anderen TV-Teilprojekten verzichtete TSR darauf, dem BAR Videokassetten abzugeben und bot stattdessen an, den Zugang über die eigene Website zu ermöglichen.

Aus der italienischsprachigen Schweiz steuert TSI das Regionalmagazin Il Regionale (1961–1984) und ergänzende dokumentarische Beiträge aus den 60er und 70er Jahren sowie die Sendung Prisma (1965–1973), in der namhafte Journalisten politische, soziale und wirtschaftliche Themen vertieften, zum Bestand der audiovisuellen Politischen Information im Bundesarchiv bei.
Bereits vor Ende des Programms Politische Information unterstützte Memoriav RTSI darin, weitere ausgewählte Sendeformate mit besonderem Bezug zur italienischen Schweiz zu digitalisieren, zu katalogisieren und vor Ort zugänglich zu machen (s. Projekte Regionalsendungen RSI und Tondokumente Radio / Radiotelevisione Svizzera di lingua Italiana RSI).

Die enge Zusammenarbeit von Memoriav mit der SRG und mit weiteren Schweizer Radio- und Fernsehanstalten ging auch nach dem Ende des Programms Politische Information weiter, nun mit dem Ziel erhaltene Radio- und TV-Sendungen via Memobase online zugänglich machen zu können.

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