Beispielsweise sind aus dem archivwürdigen Teil eines Bestandes nur eine Auswahl von Videodokumenten für eine spezifische Vermittlung oder Herstellung einer spezifischen DVD-Edition geeignet.
Sind beispielsweise in einem Videobestand unterschiedliche Bandformate vorhanden, empfiehlt es sich, jene für Erhaltungsmassnahmen zu priorisieren, deren Erhaltungszustand sich rasch verschlechtert oder wo Obsoleszenz Digitalisierungsmassnahmen verteuert, je länger damit gewartet wird.
Die Eigenschaft von Video als reproduzierbares Medium führt zur Herausforderung, dass man es oft mit mehrfachen Kopien derselben Aufnahmen mit unterschiedlichem Status (z. B. Originalmaster und Vertriebs- oder Ausstellungskopien) oder verschiedenen Generationen (Original, Ersatzkopien) zu tun hat. Diese mehrfach vorliegenden Dokumente sind nicht immer einfach als Doubletten oder Versionen (z. B. Zusammenschnitt, Sprachversionen) identifizierbar, weil dafür nicht selten verlässliche und vollständige Metadaten fehlen. Auch für die Identifikation der Kopie mit der besten erhaltenen Qualität kann man sich nicht auf einfache Regeln (z. B. ältestes oder professionelles Format) verlassen, sondern ist oft gezwungen, einzelne Kopien zu prüfen. Auch wenn es sich dabei nicht um Bewertungsfragen handelt, gehört die Kassation von klar identifizierten Doubletten und mehrfach (z. B. in anderen Archiven) überlieferter Videos zu wichtigen Aufgaben bei der Erhaltung von Videodokumenten. «Liegen die Urheber- und Verwertungsrechte anderswo, kann dies Indiz einer möglichen Doppelüberlieferung sein.» (Kretschmar 2004, S. 94)
Während bei der klassischen archivischen Bewertung die Form der bewerteten Unterlagen eine untergeordnete Rolle spielt, stellen sich im Zusammenhang mit den spezifischen Eigenheiten von Videos wesentliche formale Fragen, welche Bewertungscharakter haben. So sind gemäss dem Referenzmodell OAIS die signifikanten Eigenschaften der archivierten Objekte zu erhalten. Im Fall von Video betrifft das potentiell eine Reihe möglicher Funktionalitäten (z. B. Kapitelauswahl, Einstellungs- und Interaktionsmöglichkeiten) sowie technischer Elemente (Timecode, Tonspuren, Abtastmethode u. ä.) welche auch als «video payload» (Fleischhauer 2018) bezeichnet werden. Bei der Archivierung werden Entscheide gefällt, welche je nach konkretem Fall einen Einfluss auf diese technischen Elemente haben (z. B. deren Verlust) und damit Bewertungscharakter haben. Ähnlich verhält es sich mit technischen Parametern wie der Auflösung, Farbräumen, Bittiefen und insbesondere die Art und Stärke der Kompression, deren Wahl einen Einfluss auf die überlieferten Eigenschaften von Video und allfällige Informationsverluste haben. Der klassische archivische Bewertungsentscheid über die Erhaltungswürdigkeit muss also für eine angemessene Bewertung von Videos ergänzt werden mit dem Entscheid über die geeignete Form der Erhaltung (Cocciolo 2016, S. 15ff).
Bibliografie und Links
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Kretzschmar, Robert: Positionen des Arbeitskreises Archivische Bewertung Im VdA – Verband Deutscher Archivarinnen Und Archivare Zur Archivischen Überlieferungsbildung, in: Der Archivar, 58 (2005), S. 88-94, Online , Stand: 19.2.2022
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Fleischhauer, Carl. „IASA-TC 06 video guideline: video ‚payload‘“. Carl Fleischhauer’s blog (blog), 15. Juni 2018. Online , Stand: 19.2.2022
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Cocciolo, Anthony: Moving Image and Sound Collections for Archivists. Society of American Archivists, 2017.
Letzte Anpassung: Februar 2022