Bevor Institutionen Strategien zur Erhaltung ihrer Videos erarbeiten können, müssen sie deren inhaltlichen Wert kennen und wissen, wie es um die Gefährdung des Trägers steht. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Bestände handelt, die sich bereits im Archiv befinden, oder um Neuerwerbungen. Der Inhalt erschliesst sich im besten Fall über Beschreibungen eines Videos. Häufig fehlen solche aber, sind ungenügend oder
unklar, was bedeutet, dass das Video visioniert werden muss. Um aber unwiederbringlichen Schaden zu vermeiden, empfiehlt es sich, zuerst über Format und Zustand des Trägers Bescheid zu wissen.
Inspektion, Probleme und Behandlung von Videobändern
Um Schäden an Bändern und Abspielgeräten zu vermeiden, muss der Zustand von Magnetbändern vor dem Abspielen sorgfältig untersucht werden. Die Inspektion sollte schon bei der Übernahme, aber auch als Vorbereitung jeglicher (interner oder externer) Bearbeitung eines Bestandes vorgenommen und in regelmässigen Abständen wiederholt werden. So können Lebensdauer der Videos und der Abspielgeräte verlängert werden, sind letztere doch akut durch das Abspielen von Bändern in schlechtem Zustand bedroht.
Als Minimalprogramm empfehlen wir die folgenden Schritte:
Identifizieren Sie allfällige starke Beschädigungen an der Hülle oder Kassetten. Solche weisen auf unsachgemässe Behandlung hin und lassen vermuten, dass auch das Band selbst beschädigt oder verschmutzt wurde, was mit Vorsicht genauer untersucht werden sollte. Lassen Sie ein Band mit äusseren Beschädigungen in der Hülle.
Identifizieren Sie allfällige Verschmutzungen der Hüllen oder Kassetten. Solche können beispielsweise durch zersetztes Verpackungmaterial oder bei offener Lagerung durch Ablagerung von Staub entstehen und müssen fachgerecht gereinigt werden.
Identifizieren Sie unmittelbar nach dem Öffnen der Behälter allfällige starke Gerüche der Bänder. Modriger Geruch weist auf möglichen Schimmelbefall hin; in einem solchen Fall ist die Inspektion wegen Gesundheitsrisiken zu beenden (siehe unten). Andere häufig auftretende Gerüche können als «wachsig», «nach schmutzigen Socken riechend», «sauer» oder «stechend» beschrieben werden. Bei diesen Bändern hat ein Hydrolyseprozess im Bindemittel eingesetzt, die Bänder beginnen zu kleben («Sticky Tape Syndrome» oder «Sticky Shed Syndrome») und sollten auf keinen Fall ohne fachgerechte Vorbehandlung abgespielt werden.
Identifizieren Sie allfällige schwarze, braune oder senffarbene Verschmutzungsflecken sowie flockigen oder fadenförmige Bewuchs an Bandgehäuse und den Rändern der Bänder. Derartige Symptome deuten auf Schimmelbefall hin, der bei der Lagerung ab ca. 60% relativer Luftfeuchtigkeit entstehen kann. Von Schimmel befallene Bänder sollten isoliert aufbewahrt und schnellstmöglich von Fachleuten behandelt werden. Schimmel – auch getrocknet – kann die Gesundheit (durch Aufnahme über Atemwege) gefährden.
Identifizieren Sie allfälligen Staub und Flecken an Bandkanten und Spulen/Kassetten/Cartridges, die auf Verschmutzung durch Flüssigkeiten hindeuten. Betroffene Bänder müssen fachgerecht gereinigt werden.
Identifizieren Sie allfälligen weissen, pulverförmigen Abrieb oder kristallförmige Ablagerungen an den Bandrändern sowie schwarze oder braune Oxydflocken im Bandgehäuse. Diese Ablagerungen entstehen aus verschiedenen Gründen, sind jedoch allesamt Anzeichen dafür, dass ein Zerfall des Bandes eingesetzt hat.
Identifizieren Sie bei Offenspulen allfällige Verschmutzungen der Bandoberfläche, Zerknitterung oder Bindemittelprobleme, indem Sie ein Stück Band locker senkrecht hängen lassen (das Band nur mit sauberen Baumwoll-Handschuhen anfassen!). Physische Schäden, die von fehlerhafter Bandspannung verursacht werden, treten meist an den Rändern in Form von Knittern oder Wellungen auf. Bandabschnitte, die eine andere Farbe aufweisen als der Rest des Bandes, deuten auf Zerfall des Bindemittels hin. An diesen Stellen hat sich die Magnetbeschichtung von der Trägerfolie gelöst.
Fazit: Videobänder, welche keine der oben erwähnten Erhaltungsprobleme aufweisen, dürfen in einem gut gewarteten, mit dem entsprechenden Format kompatiblen Videogerät abgespielt werden. Werden Schäden, Zerfallserscheinungen oder Verunreinigungen festgestellt, müssen die entsprechenden Bänder vor dem Abspielen (auch für die Digitalisierung) fachgerecht vorbehandelt werden. Eine der wichtigsten Vorbehandlungen ist die Reinigung. Diese ist auch bei Bändern angezeigt, an denen äusserlich keine Probleme festgestellt werden können, sich beim Abspielen aber solche manifestieren (Verstopfen des Videokopfs, kleben, verklemmen etc.). Für die Reinigung der meisten Bandformate gibt es Reinigungsmaschinen, welche nebst der Reinigung auch wichtige Hinweise auf den Zustand eines Bandes geben.
Wartung von Abspielgeräten
Das Abspielen auf einer nicht fachgerecht gewarteten und eingestellten Maschine ist eine der häufigsten Ursachen von Beschädigungen von Videobändern. Staub oder Ablagerungen auf dem Band können dieses beim Abspielen beschädigen und zu Signalverlust (Verstopfung der Videoköpfe) führen. Grössere Schmutzpartikel oder schwerer, durch Zerfallsprozesse entstandener Abrieb können das Band oder das Gerät dauerhaft beschädigen oder die Einstellungen des Abspielgeräts verändern.
Wie die Bänder (siehe Inspektion, Probleme und Behandlung von Videobändern) müssen auch Abspielgeräte regelmässig und entsprechend den Herstellerangaben gereinigt und gewartet werden. Für Kassettengeräte können zu diesem Zweck Reinigungskassetten entsprechend deren Gebrauchsanleitung verwendet werden. Verkrustete oder zwischen Bandlaufteilen verkeilte Schmutzteile werden durch Reinigungskassetten allerdings nicht entfernt und müssen mit Hilfe eines Watte- oder Hirschlederstäbchens und des in der Bedienungsanleitung des Gerätes angegebenen chemischen Reinigers entfernt werden. Wird ein Videorecorder von Hand gereinigt, so sind ebenfalls die in der Bedienungsanleitung angegebenen Richtlinien zu befolgen.
Bei einer manuellen Reinigung von Videorecordern können Präzisionsbauteile wie beispielsweise die Köpfe beschädigt werden. Daher sollten solche Arbeiten ausschliesslich von ausgebildetem Personal durchgeführt werden, das über Erfahrung mit dem Gerät, den sachgemässen Vorgehensweisen und möglichen Problemen verfügt. Steht solches Personal nicht im Haus zur Verfügung, so sollte mit den regelmässigen Wartungsarbeiten ein entsprechend qualifizierter Betrieb beauftragt werden.
Bibliografie und Links
Die Angaben in diesem Kapitel sind eine übersetzte und ergänzte Fassung folgender Dokumente:
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AMIA, The Association of Moving Image Archivists, ed., ‘Fact Sheet 6 – Common Tape Problems’, ‘Fact Sheet 9 – Tape Inspection’, ‘Fact Sheet 10 – Tape Cleaning and Equipment Maintenance’, ‘Fact Sheet 11 – Rejuvenating Unplayable Tapes’, alle o. J. Online auf Amianet.org , Stand: 17.2.2022.
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Für die Inspektion im Zusammenhang mit Bedingungen für die langfristige Erhaltung siehe auch die internationalen Standards AES 22-1997 und ISO 18923.
Letzte Anpassung: November 2019