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3.4 Videotechnik: Geschichte, Begriffe, Formate

3.4 Videotechnik: Geschichte, Begriffe, Formate

Video ist inzwischen etwas über 60 Jahre alt. Nur wenige Jahre vor dessen Entstehung 1956 ist in den meisten europäischen Ländern das Fernsehen (wieder-) eingeführt worden, auf dessen Technologie Video aufbaut. Die regulären oder Versuchsbetriebe der 1930er Jahre waren fast alle kriegsbedingt eingestellt worden. In den ersten 10 Jahren seines Bestehens ist Video nur wenigen Spezialisten, Ingenieuren und Rundfunktechnikern bekannt. Ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre findet es neben den Fernsehanstalten vor allem in der Industrie, bei Polizei und Militär, dem (höheren) Bildungs-, Forschungs- und Gesundheitswesen sowie als Medium der Gegenöffentlichkeit in der Videobewegung seine Anwendung. Als damals jüngste Kunstform hat sich zudem in dieser Zeit die Videokunst zu etablieren begonnen.

30 Jahre nach dem Beginn sind die letzten, bis Mitte der 1970er Jahre stets weiterentwickelten Dinosaurier der ersten Stunde – im Querspurverfahren bespielte 2 Zoll Bänder auf Offenspulen – noch in Betrieb. Gleichzeitig beginnen Betacam-Kassetten bereits das das zweite und dritte Quasi-Standardformat in der Fernsehproduktion abzulösen, nämlich die 1 Zoll C Offenspulen (in Deutschland 1 Zoll B) und das Kassettenformat U-matic. Betacam SP, 1986 eingeführt und ab den 1990er Jahren Produktionsstandard im TV, wird dann bereits das letzte analoge Format sein, das den qualitativen Ansprüchen der Fernsehproduktion genügt.

In den ersten 30 Jahren Video wurden mit den Fernsehnormen und dem damit definierten Videosignal technische Grundlagen mit erstaunlicher Kontinuität bis heute entwickelt. Älteste Kameras und Videorecorder können daher mittels passendem Kabel noch an neueste Monitore angeschlossen werden, und das Bild ist unverzerrt sichtbar. Umgekehrt können neueste Kameras oder Abspielgeräte an älteste Monitore und Fernseher angeschlossen werden, um aktuelle Videoaufnahmen abzuspielen. Dieser Kontinuität in der Zeit steht technikgeografisch die Aufteilung in die zwei vorherrschenden Fernsehnormen EIA und CCIR gegenüber. Diese Normen wurden mit Einführung der Farbe seit den 1950er Jahren in den USA und Japan zu NTSC und im Rest der Welt um 1967 in PAL und SECAM weiterentwickelt. Die genannte Kontinuität wird erst heute durch HD-TV und digitale Kabelverbindungen unterbrochen.

Neben der besagten Kontinuität und dem technischen Meisterstück, mittels dem die Farbinformation dem bestehenden Schwarzweisssignal beigemischt wurde, sind die ersten 30 Jahre auch geprägt von unerbittlichen Formatkriegen um Marktanteile zwischen einzelnen Herstellern und auch ganzen Konsortien. Um die 50 analoge Videoformate sind bis 1989 auf den Markt gekommen, dazu kommen mehrere Dutzend Prototypen. Nach den 2 Zoll Formaten und mehreren untereinander inkompatiblen 1 Zoll Formaten für professionellen Gebrauch kamen ab 1965 die ersten für weniger begüterte Institutionen und Private erschwinglichen Geräte für ½ Zoll breite Bänder auf Offenspulen auf den Verbrauchermarkt. Um auf letzterem das Medium Video durchzusetzen sah sich die Industrie gezwungen, sich auf verbindliche Normen zu einigen. Mit dem 1969 eingeführten, herstellerunabhängigen EIAJ-1 Standard war erstmals die Kompatibilität von Bändern gegeben, die mit Geräten unterschiedlicher Hersteller aufgenommen waren. Die Bänder dieser Norm sowie ihrer Vorläufer sind – funktionierende Maschinen und geeignete Aufbewahrungsbedingungen vorausgesetzt – nach entsprechender Behandlung meistens noch abspielbar, teilweise ohne jegliche Verluste.

Anfang der 1970er Jahre wird ein weiteres Hindernis für die Verbreitung von Video aus dem Weg geräumt: Kassetten treten nun neben die offenen Spulen und lösen sie im Lauf des Jahrzehnts ab, was die Handhabung vereinfacht und die Störanfälligkeit vermindert. Wiederum entsteht eine Vielfalt von Kassettenformaten, die alle um Marktanteile buhlen, jedoch oft nach kurzer Zeit wieder verschwinden. Vergleichsweise dauerhaft etablierte sich das 1971 eingeführte Format U-matic. Es war bis Ende des Jahrhunderts in Gebrauch und füllte die ersten grossen Videoarchive auch ausserhalb der Fernsehanstalten. In Deutschland finden die ebenfalls 1971 bzw. 1977 eingeführten ersten zwei Generationen VCR eine relativ grosse Verbreitung, während ihr Nachfolger Video 2000 bereits keine Chance mehr hat gegen die beiden konkurrierenden Giganten VHS (1976) und Betamax (1978), mit denen Video nun massenhaft in die Haushalte einzieht. Betamax verliert den Formatkrieg und wird durch Video8 ersetzt. Dessen Weiterentwicklung Hi8 sowie auf anderer Seite S-VHS sind bereits die letzten analogen Videoformate im Amateurbereich. Von Betamax wird lediglich das Kassettenformat übernommen für das bereits erwähnte professionelle Betacam.

Ab 1986 erscheinen im höchsten Preissegment der Broadcastklasse ungefähr im Zweijahresrhythmus die digitalen Formate D1 bis D6 und 1993 neben dieser Reihe das erfolgreichste von allen: Digital Betacam. Dessen Abspielgeräte bleiben auch nach der Weiterentwicklung über Betacam SX bis zu MPEG IMX rückwärtskompatibel bis zum analogen Betacam – eine ähnlich lange Familiengeschichte wie bei U-matic. Bei beiden ist derselbe Hersteller Marktführer.

Für den Verbrauchermarkt wird 1995 das stark komprimierende Digital Video, kurz DV, eingeführt. Die Fachwelt ist von der Qualität so angetan, dass noch im selben Jahr auch robuste Camcorder und Abspielgeräte für die professionelle Produktion u. a. im Lokalfernsehen entwickelt werden. Diese Derivate heissen DVCPro25 bzw. DVCAM, weisen grössere Kassetten auf und laufen zugunsten einer störungssichereren Aufnahme mit höherer Bandgeschwindigkeit. Der Codec ist in allen Ausführungen und Preisklassen (mit 25 Mbit Datenrate) identisch, weshalb die verschiedenen Bandformate teilweise kompatibel sind.

All diese digitalen Videoformate zeichnen noch auf Band auf, der Videostream lässt sich ohne Umwandlung verlustlos in nonlineare Schnittsysteme einlesen und als File abspeichern. Damit wird zunächst die Postproduktion bandlos, für die Aufzeichnung und die ausgespielten Master bleiben Magnetbänder als Trägermedium in Gebrauch, weil Festplatten für eine Massen- bzw. Langzeitspeicherung noch zu teuer und zu wenig verlässlich sind. Als praktisches und billiges Medium für den Austausch, und im Heimgebrauch als Nachfolger der VHS-Kassette, setzt sich in den ersten Jahren des Milleniums die selber brennbare DVD (DVD-R) durch. Nachdem zahlreiche frühe Anwender nach wenigen Jahren Datenverluste vermeldeten, gilt die DVD-R nicht als verlässliches Archivmedium.

Die Schrägspuraufzeichnung auf Magnetband, seit Anfang der 1960er Jahre die Leittechnologie für das Festhalten von Videosignalen, bleibt über zwei Jahrzehnte nach Einführung des digitalen Video (1986) noch in Verwendung – der Vorgang der Aufzeichnung verändert sich nur wenig. Ab 2005 ist im Broadcastbereich eine wachsende Akzeptanz für bandlose Camcorder zu verzeichnen. Um 2007 gehen die Absatzzahlen für DV-Bänder deutlich zurück – die Camcorder speichern nun auf DVD-R Laufwerke, kleine Festplatten oder die ersten Flash-Speicherkarten mit genügender Speicherkapazität. Der entscheidende Knick für die Magnetbänder erfolgt mit der Tsunami-Katastrophe 2011 in Japan: Für das führende Broadcastformat sind wegen einer beschädigten Fabrik keine Bänder mehr lieferbar und die Produzenten müssen entweder Archivbänder wiederverwenden oder kurzfristig in bandlose Systeme investieren. Für die langfritige Speicherung in Dateiform bietet sich neu mit LTO-Archivbändern eine Alternative. Diese weisen ab 2011 mit LTO-5 nun ein offenes Fileformat auf und werden dadurch benutzerfreundlicher. Während die Produktion von elektronischen Bewegtbildern somit vollends bandlos geworden ist, führt für ihre langfristige Speicherung dagegen wohl noch für längere Zeit kein Weg am Magnetband vorbei (bloss die technisch aufwändige Schrägspur gehört der Vergangenheit an). Während mindestens die langfristige Speicherung nicht mehr an einen bestimmten, oft noch proprietären Träger gebunden ist, so ist im Bereich der Codecs die Evolution in vollem Gange: Einer schier unübersichtlichen Anzahl vergangener und kaum mehr gebräuchlicher Codecs steht eine nicht minder vielfältige Palette von proprietären bis offenen aktuellen Codecs für Archivierung, Aufführung und Streaming in allen möglichen Qualitäts- und Kompressionsstufen gegenüber.

Nach dem Verlassen der analogen Galaxie finden die wichtigsten technischen Entwicklungen bei der Dimension der Bilder statt: Mit HDV, DVCPro100, AVCHD bzw. XDCAM HD und weiteren setzt sich seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre High Definition immer mehr durch und mit ihm das Seitenverhältnis 16:9. Beim Verbraucher folgen bald UHD (im Vergleich zu HD doppelte Pixelanzahl in Breite und Höhe, auch 16:9) und im digitalen Kino 4k, verbunden mit einem Seitenverhältnis nahe 2:1. Damit wird der Faden zur Vergangenheit endgültig gekappt: Nach den Speicherformaten sind nun auch die Bildformate mit ihren analogen Vorgängern inkompatibel geworden und können nur noch durch Skalieren und konvertieren mit Geräten der Analogzeit ausgetauscht werden, wogegen die erste Generation digitaler Videoformate in SD und 4:3 in der Regel noch in beiden Richtungen anschliessbar blieb, wenn sie analoge Anschlüsse anbot, was fast immer der Fall war.

Eine Anmerkung bleibt noch zu machen: Wenn auch ein grosses Ziel nun grundsätzlich erreicht ist, nämlich die Abspeicherung der Inhalte in Files von der Aufnahme bis zur Archivierung, so ist bei manchen kommerziellen Lösungen die Wahl des dafür benötigten Trägers bei der Aufnahme keineswegs frei, sondern oft weiterhin proprietär. Und: die bisher formatbedingt physische Bindung an einen Hersteller könnte in Zukunft sehr leicht durch einen digitalen Schlüssel ersetzt werden.

Spezialfall: Analoge Videobildplatten

Nach Vorläuferformaten wie der mechanisch abzutastenden TED (Television Disc) fand die Laserdisc (auch DiscoVision, Video Long-Play Disc oder LaserVision) ab Ende der 1970er Jahren als erstes optisches Speichermedium für Video v. a. in den USA Verbreitung auf dem Consumer-Markt (in Europa dagegen kaum). Etwa ab den 1990er Jahren waren auch Aufnahmegeräte erhältlich.

Aufgrund der berührungsfreien Abtastung wurde die Laserdisc während einer kurzen Zeit auch für Archiv- bzw. Kopien für den Kulturgüterschutz, für hochwertige Ausstellungskopien von Videokunst sowie als interaktives Abspielmedium in Ausstellungen eingesetzt, weshalb das Format in Gedächtnisinstitutionen vorkommen kann. Weil sie in Europa aber ansonsten kaum verbreitet war und inzwischen obsolet wurde, ist es heute sehr schwierig, kompatible Abspielgeräte und kompetente Fachleute zu finden.

Die Laserdisc ist ein analoges Speichermedium für Video und Ton (letzterer kann auch digital gespeichert sein), welches in zwei genormten Durchmessern von 20 bzw. 30 cm vorkommt und je nach Bespielweise ca. 30–60 Min. Videoaufnahmen speichern kann. Ihr Trägermaterial ist transparenter Kunststoff, der auch die Information enthält. Eine aufgedampfte dünne Metallschicht erlaubt das Auslesen. Laserdiscs bestehen aus zwei aufeinandergeklebten Platten, weshalb sie beidseitig abspielbar sind. Die Informationsschichten liegen inwendig und sind so vor äusseren Einflüssen geschützt. Kratzer und Brüche können sich dennoch negativ auf das Abspielen auswirken und sollten durch sorgfältigen Umgang vermieden werden. Typische Schadensphänomene sind Kratzer durch sog. Headcrashs (schlecht justierter oder defekter Lesekopf, der beim Abspielen die Platte berührt) oder austretende Klebstoffbestandteile (aufgrund von Erwärmung und konstanter Rotation beim Dauereinsatz). Laserdiscs sollten in ihren Papierhüllen senkrecht, nach Größen sortiert und nicht zu stark aneinandergedrückt, kühl und trocken gelagert werden.

In Ausnahmefällen haben KünstlerInnen Kleinst-Editionen ihrer Werke auf gläserne Laserdiscs erstellen lassen. Diese sind nur einseitig bespielt und sehr bruch- und korrosionsempfindlich.

Letzte Anpassung: Februar 2022


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