Seit ungefähr 130 Jahren ist es möglich, Töne auf spezifischen Trägern festzuhalten und später wiederzugeben. Seither gibt es auch Tonarchive. Ihre Sammlungsschwerpunkte und die Gründe ihres Entstehens sind sehr verschieden. Es ist erstaunlich, in wie vielen Schweizer Institutionen Tondokumente gesammelt werden, und welche kulturelle Vielfalt sie repräsentieren. Für diese Archive ist es oft schwierig Tondokumente auf lange Frist konservatorisch richtig zu betreuen. Neue Vertriebs- und Nutzungsformen wie Internet, mobile Anwendungen oder E-Learning stellen gerade kleinere Archive vor grosse technische und finanzielle Herausforderungen. Dazu kommt das Aussterben der analogen Wiedergabetechniken. Oft ist unklar, welche Massnahmen für Konservierung, Restaurierung und Reproduktion ergriffen werden müssen und wie der öffentliche Zugang künftig gesichert wird.
Gemischte Archive
Unter den gemischten Archiven verstehen wir all diejenigen öffentlichen und privaten Institutionen, welche in einem thematisch festgelegten Gebiet alle Arten von Dokumenten – also Drucksachen, Fotos, Briefe, Töne etc. – sammeln. Die Tondokumente spielen darin eine Rolle, stehen aber meist nicht im Zentrum der Sammlungstätigkeit. Sie sind vielmehr Teil einer multimedialen Sammlung. In der Schweiz besitzen Universitäts- und Stadtbibliotheken, wissenschaftliche Institute, das Schweizerische Literaturarchiv, das Schweizerische Sozialarchiv, das Bundesarchiv, Staats- und Gemeindearchive, aber auch Vereine, Verbände oder Nichtregierungsorganisationen wie z. B. die Basler Mission Tonsammlungen. Auch Betriebsarchive in Industrie und Gewerbe sowie Museen sammeln und besitzen Töne.
Viele dieser Institutionen haben einen Sammlungsauftrag, der sich aber selten auf Tonträger bezieht. So beschaffen sie von sich aus die verfügbaren Dokumente, soweit sie am Markt erhältlich sind, oder es bestehen Vereinbarungen über die Abgabe von Exemplaren. Daneben bekommen sie private Sammlungen zum Kauf oder als Geschenk angeboten und nehmen Nachlässe von Privaten und Institutionen entgegen. So kamen über die Jahre teilweise heterogene Bestände zusammen. Immer häufiger werden sich die Archiv-verantwortlichen bewusst, dass manchmal wichtige beschreibende Daten zu diesen Aufnahmen fehlen oder gar nicht mehr bekannt ist, in welchem technischen Format sie aufgenommen wurden. In Bibliotheken und Archiven lagern diese «Non-Books» dann neben Akten und Manuskripten und können oft gar nicht mehr abgehört werden, weil Abspielgeräte fehlen oder Lagerschäden aufgetreten sind. Es ist für das Archivpersonal schwierig, solche Tondokumente richtig zu lagern; ihre sachgerechte Erschliessung ist mangels Abspielgeräten oder Zeit fast unmöglich.
Spezialarchive
Spezialisierte Archive haben einen Schwerpunkt auf die Sammlung von Tondokumenten gelegt. Dazu gehören die Radiostudios und die Schweizer Nationalphonothek, welche im Netzwerk von Memoriav die Rolle des Kompetenzzentrums für den Bereich Ton einnimmt. Auch die Musikindustrie besitzt spezialisierte Archive. Diese Spezialsammlungen haben in den letzten 10 bis 15 Jahren einiges technisches und organisatorisches Know-how aufgebaut. Ihr Problem ist deshalb weniger ein technisches. Vielmehr sind die grossen Mengen und der fehlende oder eingeschränkte Zugang Grund für Erhaltungsmassnahmen. Die Archivierungspraxis der Musikindustrie und der Radios ist primär auf die Wiederverwertung ausgerichtet, also letztlich auf wirtschaftliche und betriebliche Aspekte und weniger auf die Überlieferung als Kulturgut für die Öffentlichkeit. Aus diesem Grund sind auch deren Kataloge nicht auf die Bedürfnisse des allgemeinen Publikums ausgerichtet, und die Logik der Archive ist meist nur für spezialisiertes Personal verständlich. Anders bei der Schweizer Nationalphonothek: Ihr Katalog ist via Internet zugänglich.
Ein Charakteristikum der spezialisierten Tonarchive ist die grosse Menge an Dokumenten. Allein in den SRG-Radios lagern ca. 1 Mio. Tonträger mit Eigenproduktionen. Der Erhalt, die Erschliessung, Speicherung und das Vermitteln solcher Bestände sind mit viel Auf-wand verbunden. Zur Vermeidung schmerzlicher Verluste müssen wohlüberlegte Prioritäten gesetzt werden.
Letzte Anpassung: 2008