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11.2 Beschreibung von Tondokumenten

11.2 Beschreibung von Tondokumenten

Nebst technischen Angaben zur Art der Aufnahme sind auch Informationen zur Entstehungsgeschichte der Tondokumente von zentraler Bedeutung. Foto: Schweizerische Nationalphonothek, Lugano

Die Dokumentation und Beschreibung von Tondokumenten dient in erster Linie dazu, diese geordnet aufzubewahren und leicht wiederzufinden. Sie ist aber auch Grundlage für die Verwaltung von Sammlungen und unabdingbare Voraussetzung für Digitalisierungsprojekte. Technische, administrative, strukturelle und deskriptive Metadaten ermöglichen erst den Überblick über eine Sammlung, der für wichtige Entscheidungen etwa im Hinblick auf die Auswahl, die Konservierung und Restaurierung, die Verfügbarmachung oder die Finanzierung nötig ist.

Im Gegensatz zu Fotografien oder Textdokumenten erlaubt ein Tondokument keinen unmittelbaren Zugang zu seinem Inhalt. Der Inhalt erschliesst sich erst beim Hören, einem zeitraubenden Prozess, der ausserdem die Bereitstellung eines geeigneten Abspielgerätes bzw. der notwendigen Decodiersoftware und einen guten Zustand des Dokuments voraussetzt. Ganz wichtig ist es daher, schon bei der Erwerbung einer Sammlung möglichst viele Informationen einzufordern, die Aufschluss über den Inhalt, über technische Details der Aufnahme, die beteiligten Personen oder die Rechte geben. Gleich zu Beginn eines Erhaltungsprojektes muss abgeklärt werden, ob die Identifizierung und Kontextualisierung der Tondokumente einer Sammlung gewährleistet ist, und ob ein Budget für das Abhören bereitgestellt werden muss.

Die Beschreibung von Audios ist ein aufwendiger und häufig unterschätzter Arbeitsgang. Grundsätzlich gilt: ein einfaches Inventar, das sich auf die wesentlichen Elemente beschränkt, ist besser als gar keines. Wichtig ist, bei der Beschreibung von (Ton)dokumenten auf Interoperabilität zu achten, die es z. B. erlaubt, ein elementares Inventar in die Datenbank einer Gedächtnisinstitution zu migrieren und dem dortigen Standard entsprechend anzureichern.

Diese Empfehlungen richten sich an alle Arten von Gedächtnisinstitutionen (Archive, Bibliotheken, Museen) mit ihren unterschiedlichen Traditionen und Praxen der Metadatenerfassung, und an Privatsammlungen, die ihre Tondokumente nachhaltig erschliessen möchten.

Im Folgenden wird ein Überblick über einige Standards und Regeln für die Beschreibung von Tondokumenten gegeben.

Metadatenstandards und Katalogisierungsregeln

Die Bedeutung des klingenden Kulturerbes wächst ständig, dennoch sind die Datenbanken in Gedächtnisinstitutionen häufig nicht auf die Erfassung von Tondokumenten ausgelegt.

Archivdatenbanken orientieren sich an hierarchischen Standards wie ISAD(G), die auf die Provenienz (Herkunft) eines Bestandes fokussiert. In der Praxis werden inhaltliche Angaben in der Regel nur bis auf die Ebene der Dossiers erfasst. Auf die Beschreibung der einzelnen Dokumente wird normalerweise verzichtet.

Datenbanken für Bibliotheken und Museen stützen sich auf Metadatenstandards, die meistens eine flache Struktur aufweisen. Bekanntestes Beispiel ist der in der Bibliothekswelt international weit verbreitete Standard Marc 21, der in Kombination mit einem Regelwerk wie RDA sehr präzise Anforderungen an die einzelnen Katalogfelder formuliert und damit den Datenaustausch erleichtert.

Bei Sammlungen von nicht-kommerziellen Tondokumenten sind die Metadaten zu den Entstehungs-, Nutzungs- und Überlieferungskontexten besonders wichtig. Standards aus der Archivwelt können dieses Bedürfnis besser abdecken, als die o.g. Struktur der Einzelaufnahme.

Wenn eine Bibliothek mehr Flexibilität braucht, kann sie auf die Kombination von RDA mit dem konzeptionellen Datenmodell FRBR (Functional Requirements for Bibliographic Records) setzen. Dieser Standard ermöglicht die Erfassung eines Tondokuments auf mehreren Ebenen. Eine Aufnahme trägt einen übergeordneten Titel (z.B. “Glenn Gould spielt Bach”), enthält aber verschiedene Werke; eine Radiosendung gliedert sich in verschiedene Folgen, die wiederum aus verschiedenen Einzelkomponenten (Sprechbeiträge, Musikstücke) bestehen. Vereinfacht ausgedrückt gliedert FRBR bibliographische Daten in vier Entitäten, die für eine Tonaufnahme folgendermassen aussehen können:

  • Werk (work) - die Oper “La Traviata” von Verdi

  • Expression (expression) - Inszenierung von Patrice Chéreau aus dem Jahr 1970

  • Manifestation (manifestation) - Livemitschnitt der Pariser Oper am 12.06.1970

  • Exemplar (item) - Magnetband mit dieser Aufnahme

Als Beispiel für die Implementierung von RDA mit Orientierung an FRBR kann die Deutsche Nationalbibliothek genannt werden, die seit 2015 nach diesen Standards katalogisiert (siehe Link unten).

Metadatenstandards befinden sich aktuell, nicht zuletzt wegen dem Aufkommen von Linked Open Data, in einer Übergangsphase. Im Archivbereich wird bereits seit 2012 Records in contexts (RiC) entwickelt, ein Standard, der die hierarchische Form der archivarischen Erschliessung durch ein offenes Netz möglicher Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen aufbricht. MARC 21 könnte auf längere Sicht von BIBFRAME abgelöst werden. Auch hier wird das noch streng hierarchisch gedachte Konzept FRBR als Graph dargestellt. Es bleibt zu beobachten, ob die neuen Standards den spezifischen Anforderungen der Katalogisierung von Tondokumenten besser gerecht werden.

Zusätzlich zu den Metadatenstandards, die in den Gedächtnisinstitutionen für alle Dokumentenarten eingesetzt werden, entstanden im Laufe der Zeit auch Standards, die spezifisch für audiovisuelle Medien geschrieben wurden. Dazu gehört PBCore, der für den öffentlichen Rundfunk in Zusammenarbeit mit Gedächtnisinstitutionen in den USA entwickelt wurde. Dieser Metadatenstandard geht speziell auf die Bedürfnisse von “timebased” Medien, also Audio und Video ein. Er enthält eine Liste von Datenfeldern, die für die inhaltliche und technische Beschreibung von Ton- und Bewegtbilddokumenten entwickelt wurde.

Tonspezifische Metadaten

Um den Inhalt eines Tondokumentes erschliessen zu können, müssen die Elemente beschrieben werden, die die Lesbarkeit des analogen oder digitalen Materials sicherstellen.

Bei der Beschreibung von «file-born» oder digitalisierten Tondokumenten muss unterschieden werden zwischen eingebetteten und benutzerdefinierten Metadaten. Eingebettete Metadaten (z.B. Dateiformat, Abtastrate, Aufnahmedauer) können mit Tools aus der Audiodatei ausgelesen werden. Mittlerweile gibt es eine Reihe solcher Werkzeuge (links siehe unten). Zu nennen sind insbesondere Mediainfo, mp3tag, FFmpeg und ffprobe. Benutzerdefinierte Metadaten müssen hingegen manuell erfasst werden. In vielen Fällen gehören Metadaten über die Aufnahmesituation und Technik aber zu den benutzerdefinierten Metadaten, weil sie nicht notwendigerweise Spuren in der Audiodatei hinterlassen.

Memoriav empfiehlt, die Metadaten für Digitalisate in einer eigenen Katalognotiz zu erfassen und diese mit der des Originals zu verknüpfen, da ein Grossteil der (technischen) Daten des Digitalisats von denen des analogen Dokuments abweicht. Dies ist aber letztendlich eine Entscheidung der Gedächtnisinstitution, welche die Sammlung übernimmt.

Im Guide to Audio Preservation der Association for recorded sound collections (ARSC) findet man ein sehr ausführliches und übersichtliches Kapitel zur Beschreibung von Tondokumenten (s. Bibliographie und Links). Die Schweizer Koordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischer Unterlagen (KOST) hat im Rahmen des Projekts AudioVault (2014) detaillierte Informationen zur Erschliessung von elektronischem Audiomaterial zusammengestellt (s. Bibliographie und Links).

Sicherheitskopien: Bezug zum Original muss gewahrt bleiben

Oft wird der Inhalt eines Tondokuments für die Langzeitarchivierung oder für die Konsultation auf einen anderen Träger kopiert oder digitalisiert. Allerdings besteht dabei die Gefahr, wesentliche Metadaten mit Informationen zum Kontext zu verlieren. Bei jeder Übertragung müssen die Vorgänge und die getroffenen Entscheidungen dokumentiert werden, um die Integrität der Dokumente langfristig zu sichern. Aus dem gleichen Grund sollten die Originaltonträger und ihre Verpackungen nach der Übertragung nicht entsorgt werden, da es sich um wertvolle Quellen zum technischen, historischen und kulturellen Kontext handelt, die bei der Digitalisierung häufig nicht transferiert werden. 

Liste mit den Mindestanforderungen für die Beschreibung von Tondokumenten

Die folgende Liste enthält die Pflichtkomponenten für eine erste Bestandsaufnahme, die ohne grosses Vorwissen und Zusatzrecherchen erfasst werden können. Für ein solches Inventar kann in Ermangelung einer Datenbank auch mit einer Tabellensoftware wie Excel gearbeitet werden. Wenn die Daten einheitlich und gut strukturiert erfasst sind, können sie später problemlos in eine Datenbank exportiert werden.

Nach Möglichkeit sollte im Vorfeld Kontakt mit der Gedächtnisinstitution aufgenommen werden, die die Sammlung übernimmt, um die Interoperabilität mit deren Datenbank (und externen Portalen wie Memobase) und eine reibungslose Anreicherung der Metadaten zu einem späteren Zeitpunkt zu garantieren.

Die Liste ist vorgesehen für die Inventarisierung von einzelnen Tonträgern, die als Basis für die Katalogisierung bzw. Erschliessung dient. D.h. die Erfassung ist damit nicht abgeschlossen. Folgendes gilt es zu beachten:

  • Häufig finden sich auf den Tonträgern mehrere Tondokumente oder Werke, deren Metadaten ebenfalls erfasst werden sollten. Nur so können sie gefunden und verstanden werden.

  • Gehört der Tonträger zu einer Sammlung oder einem Bestand sollten zusätzlich alle Informationen zu Provenienz, Kontext, Bestandsgeschichte, Bewertung und Kassation geliefert werden. Angaben zu den Rechten (Konventionen) und zur Aufnahmetechnik (Produktionskontext) können auf Bestandsebene vermerkt werden.

Feld

Anmerkung

Beispiel

Signatur

Identifier, der ein Dokument eindeutig kennzeichnet, vergeben oder übernehmen

Muster_01234567

Ordnung und Klassifikation (Zugehörigkeit)

Name des zugehörigen Bestands, Dossiers …

Bestand Familie Alder

Lokalisierung

Raum, Regal, Schachtelnummer, …

Eventuell Separierung der Angaben , um die Angaben einfach gruppieren zu können (z.B. alle Dokumente auf Gestell 5)

Raum 17
Regal 5
Tablar 3
Schachtel 13

Dokumententyp/Dateiformat

in standardisierter Form

Schellackplatte

Titel des Tonträger bzw. der Datei

Tonträgertitel z.B. einer Schallplatte oder von der Institution vergebener Titel (z.B. bei Archivalien)

Best of Appenzell

Beschreibung/Inhalt/Enthält

Z.B. Anzahl und Titel der Lieder, der Sprachbeiträge

13 Volkslieder aus Appenzell

Schlüsselbegriffe

Für gesprochene Dokumente , z.B. zitierte Namen, Orte und Daten

Für Musik z.B. Genre oder Gattung

Volksmusik; Streichmusik; Gonten

Urheber:in/Autor:in/Komponist:in

Name, Vorname (Rolle)

Für jeden Namen ein neues Feld

Name und Rolle in standardisierter Form

Alder, Markus (Komponist)

Mitwirkende(r) mit Rolle

Name, Vorname (Rolle)

Für jeden Namen ein neues Feld

Name und Rolle in standardisierter Form

Belder, Bert (Hackbrett); Celder, Christoph (Klarinette)

Sprache im Dokument

in standardisierter Form

GER

Label

auch Bestellnummer der Schallplattenfirma, Matrizen-Nr. (vor allem für historische Tonträger), oder sonstige Identifizierungscodes

His Masters Voice

Kommerzielle Aufnahme oder Unikat

Kommerzielle Aufnahme

Kopie (ja oder nein)

Z.B. für Kassettenaufnahmen von Radiosendungen oder Schallplatten

Nein

Rechte

Inhaber:in der Urheberrechte

Ungeklärt

Aufnahmedatum

des Originals

1948

Aufnahmeort

des Originals

Appenzell

Aufnahmetechnik

des Originals.

Mono / Stereo, Tourenzahl bei Schallplatten, Spurbelegung und Geschwindigkeit bei Tonbändern

Mono, 78 T

Zustand des Dokuments

z.B. Essigsäuresyndrom, Verformungen, Schimmel

Zerkratzt

Werkzeuge

Letzte Anpassung: Februar 2025


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