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Musik mit Röntgenlicht retten?

Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI entwickeln eine Methode, um mit dem speziellen Röntgenlicht der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS Aufnahmen auf hochwertigen historischen Tonbändern zerstörungsfrei zu digitalisieren – darunter auch Schätze aus dem Archiv des Montreux Jazzfestivals – so zum Beispiel eine seltene Aufnahme des «King of the Blues», B.B. King.

Magnettonbänder sind mittlerweile fast gänzlich aus unserem Leben verschwunden und geniessen nur noch ein nostalgisches Nischendasein. In den Archiven der Tonstudios, Radio- und TV-Sendern, Museen und privaten Kollektionen weltweit lagern jedoch noch immer grosse Mengen solcher analoger Datenträger. Die Digitalisierung dieser Bestände ist eine ständige Herausforderung sowie auch ein Wettlauf gegen die Zeit, denn die Tonbänder zerfallen und sind irgendwann nicht mehr abspielbar.

Sebastian Gliga, Physiker am PSI und Spezialist für Nanomagnetismus, entwickelt mit seinem Team eine Methode, mit der sich historische und beschädigte Tonbänder mithilfe von Röntgenlicht zerstörungsfrei und in höchster Qualität digitalisieren lassen. Dafür arbeiteten sie mit der Schweizer Nationalphonothek zusammen, die massgeschneiderte Referenzaufnahmen produziert und ihr tontechnisches Know-how zur Verfügung gestellt hat. In einer Partnerschaft mit dem Montreux Jazz Digital Project soll die Methode nun weiterentwickelt und getestet werden.

Magnettonband mit der Aufnahme von B.B. Kings Konzert am Jazzfestival Montreux von 1980 aus dem Archiv der Claude Nobs Foundation. Das Band befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium des Verfalls, sodass es mit herkömmlichen Methoden nicht mehr direkt abgespielt werden kann. Die PSI-Forschenden verwenden Synchrotronlicht, um das Audiosignal wiederherzustellen. (Foto: EPFL/Alain Dufaux)

Die B.B. King Aufnahme stammt aus der Sammlung Zumbrunn:

https://memoriav.ch/de/projects/sammlung-philippe-zumbrunn/

Das Projekt «Retten von Musik durch Röntgenstrahlen» und Synchrotron am PSI:
Fotos: Rudolf Müller, Memoriav, 15.04.2024

Ansicht des Swiss Light Source (SLS) in Villigen AG. Es handelt sich um einen ringförmigen Teilchenbeschleuniger, auch Synchrotron genannt. Elementarteilchen, Elektronen, werden auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Beim Durchgang dieser Elektronen durch spezielle Magnete werden Röntgenstrahlen erzeugt, die zur Untersuchung von Materialeigenschaften verwendet werden. In diesem Projekt werden sie zum berührungslosen Lesen von Magnetbändern verwendet.
Der Synchrotron Swiss Light Source (SLS) wird momentan umgebaut, um Experimente mit höherer Präzision durchführen zu können. Unterer Bildrand: Magnete zur zur Steuerung und Fokussierung der Elektronen warten darauf, eingebaut zu werden.
Am Ende der Strahllinie werden spezielle Spiegel eingesetzt, um den Röntgenstrahl auf wenige Mikrometer zu fokussieren. Dario Ferreira Sanchez vom PSI beschreibt den Aufbau der Strahllinie.
Die Synchrotronstrahlung kann in einen der 18 tangentialen Arme (Strahllinien) gelenkt und für Experimente wie die Untersuchung von Materialeigenschaften und das Auslesen von Magnetbändern verwendet werden. Dies ist die Strahllinie microXAS, auch ‚microXAS Beamline‘ genannt, die für die chemische und physikalische Untersuchung von Materialien, einschließlich des Auslesens von Magnetbändern, verwendet wird.
Um die Tonbänder dereinst korrekt auslesen zu können, braucht es eine Abspielvorrichtung. Diese liest nicht wie sonst üblich das Band via einen Tonkopf aus. Sie hat die Funktion, das Band korrekt im Strahl des Röntgenlichts zu positionieren. Dazu wurde ein Prototyp gebaut, der über eine Computer-Schnittstelle und einen Bildschirm gesteuert werden kann.
Die Abspielvorrichtung für die Tonbänder verfügt über vier Motoren. Zwei für das Auf- und Abwickeln des Bandes die einzeln gesteuert werden können, um das Band in der genau richtigen Spannung zu halten. Zwei weitere Motoren sind auf Linearführungen montiert und mit den Spulen verbunden. Sie dienen dazu, das Band in jedem Zeitpunkt des Abwickelvorgangs in einem Winkel von 45 Grad zum Röntgenstrahl ausgerichtet zu halten.
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