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Audiovisuelles Gedächtnis der Tschetschenienkriege in der Schweiz

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), unterstützt von FriedensFrauen Weltweit und Reporter ohne Grenzen Schweiz, hat 1270 Videosequenzen, die von Menschenrechtsaktivisten aufgenommen und in die Schweiz in Sicherheit gebracht wurden, systematisch aufgearbeitet. Das Archiv ist eine wichtige Grundlage für die juristische und historische Aufarbeitung der Kriege sowie im Kampf gegen die Straflosigkeit und das Vergessen.

Die tschetschenische Menschenrechtlerin Zaynap Gashaeva sowie andere Menschenrechtsaktivistinnen, Journalisten und Dokumentarfilmerinnen erfassten und filmten Kriegsverbrechen, die während der Kriege zwischen 1994 und 2006 insbesondere durch die russische Armee begangen wurden. Die Videos beinhalten Interviews mit Zeuginnen, Soldaten, Journalistinnen und Opfern respektive deren Familienangehörigen sowie Filmaufnahmen von zerstörten Orten. Darunter sind auch einmalige Aufnahmen der russischen Journalistin Anna Politkowskaja, die 2006 vor allem wegen ihres Tschetschenien-Engagements ermordet wurde.

Die Videos wurden während Jahren versteckt und später ausser Landes gebracht. Der Verein Chechen Archive, bestehend aus der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), FriedensFrauen Weltweit und Reporter ohne Grenzen Schweiz analysierte, restaurierte und digitalisierte diese Videos mit der Unterstützung von Memoriav und schuf damit ein umfassendes Archiv und zugleich ein beklemmendes Zeugnis dieser Kriege. Zum Schutz der Zeuginnen und Zeugen schaltet der Verein lediglich eine textbasierte Datenbank mit den wichtigen Informationen der Videos öffentlich; die Videos selber und sensible Informationen werden nur auf Anfrage und nach Überprüfung zugänglich gemacht.

Die menschenrechtliche Situation hat sich sowohl in der tschetschenischen Republik als auch in der russischen Föderation in den letzten Jahren massiv verschlechtert. Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger werden verfolgt, unter Druck gesetzt, zum Teil gar gefoltert oder umgebracht. Organisationen werden als ausländische Agenten gebrandmarkt und an der menschenrechtlichen Arbeit behindert.

Eine systematische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen ist zurzeit weder in Tschetschenien noch in Russland denkbar. Umso wichtiger ist das Archiv für die historische Forschung und zur Unterstützung von Klagen der Opferfamilien vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Das Archiv wird dann besonderen Dienst erweisen, wenn das politische Umfeld in Tschetschenien und Russland eine juristische Aufarbeitung der Kriegszeit ermöglicht oder eine Wahrheitsfindungskommission die Verbrechen am tschetschenischen Volk aufnehmen kann.

Die Webseite ist ab sofort abrufbar unter: www.chechenarchive.org

Vermisste Söhne. Foto: GfbV
Vermisste Söhne. Foto: GfbV

Einladung zur Podiumsdiskussion «Gegen das Vergessen»
2. Juni 2016, PROGR Bern

Zwischen 1926 und 1973 entriss das «Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse» Hunderte Jenische Kinder ihren Familien. Vor dreissig Jahren entschuldigte sich Bundespräsident Egli dafür, dass der Bund das «Hilfswerk» der Stiftung Pro Juventute mitfinanziert hatte. Was hat die Schweiz aus diesem düsteren Kapitel gelernt? Dieser Frage gehen wir am 2. Juni in einer Podiumsdiskussion nach.

Wann: Donnerstag, 2. Juni 2016, 18:30
Wo: Aula im PROGR – Zentrum für Kulturproduktion, Waisenhausplatz 30, 3011 Bern

Es diskutieren:

• Uschi Waser, Präsidentin Naschet Jenische
• Sandra Gerzner, Citoyens Nomades Suisse
• Thomas Huonker, Historiker
• Hans Caprez, ehem. Redaktor «Schweizerischer Beobachter»
• Eröffnungsrede: Isabelle Chassot, Direktorin Bundesamt für Kultur
• Moderation: Angela Mattli, GfbV Schweiz

Eintritt: frei/Kollekte. Mit anschliessendem Apéro.

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